Der Weinhandel hat es aktuell nicht leicht. Zwar sind die Absatzzahlen in einigen Bereichen im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, trotzdem steigt der Preisdruck und die Konkurrenz durch den Lebensmitteleinzelhandel, Discounter und Onlinehändler nimmt zu. Dies betrifft gerade kleine, inhabergeführte Weinhandlungen & Vinotheken.

Nicola Neumann, Münchner Weininseln | weinmarketing.orgDiese Herausforderung und einige weitere interessante Ideen haben Nicola Neumann dazu gebracht, andere Wege in der Vermarktung zu gehen. Mehr noch, sie war dabei bereit, das verbreitete Konkurrenzdenken zu überwinden und Synergien zu schaffen.  Nicola Neumann ist Leiterin „Vertrieb & Marketing“ bei Noble Wine GmbH in München und Dozentin für Social Media & eCommerce an der IHK Akademie München. Ihr neues Projekt nennt sich „Münchner Weininseln“ und ist eine spannende Initiative zur Förderung kleiner, inhabergeführter Weinhandlungen, Weinbars & Vinotheken.

Frau Neumann, Sie haben die „Münchner Weininseln“ ins Leben gerufen. Was ist das Ziel Ihrer Initiative?

Ursprünglich ging es bei der Idee zunächst darum, etwas von dem besonderen Flair, das man in den Weinregionen vorfindet, nach München zu holen, indem man einen Tag der Offenen Weinkeller organisiert. Außerdem spielte eine Rolle, dass es in Münchens Gastronomie zum großen Teil wenig interessante Weine zu extrem hohen Preisen gibt. Hier kommen die Weininseln ins Spiel.

Die Weininseln verstehen sich als Orte, in denen hochwertige, besondere, authentische und handwerklich produzierte Weine zu fairen Preisen verkauft und ausgeschenkt werden. 

Münchner Weininseln | Partner von weinmarketing.org

Weine, die nicht in großer Stückzahl produziert werden. Weine, die jedes Jahr ein bisschen anders schmecken, je nach klimatischen Bedingungen. Solche Plätze werden fast immer von Enthusiasten geführt und müssen meiner Ansicht nach unbedingt gefördert werden, damit sie auch in Zukunft weiterbestehen.

Und hier kommen wir zum großen Dilemma: wahrscheinlich ist es in keiner deutschen Stadt so schwierig, hochwertigen Wein zu verkaufen, wie in München, wegen der extrem hohen Mieten. Im Weinverkauf sind die Margen ohnehin sehr klein, wenn dann noch eine zentrale Innenstadtlage dazukommt, bleibt am Ende des Monats nicht mehr viel übrig. Deswegen mussten leider schon sehr viele ambitionierte Projekte wieder schließen.

Es geht auch darum eine Hemmschwelle abzubauen: viele junge Leute trauen sich nicht in einen Weinladen, weil sie nicht wissen, was sie dort erwartet. Ob sie gleich etwas kaufen oder sich als Weinkenner präsentieren müssen. Dann kaufen sie lieber online oder im Supermarkt. Dabei bekommen sie im Weinladen zusätzlich zum Produkt auch noch eine Geschichte und einen persönlichen Kontakt.

In meiner Vision ist eine Weinhandlung kein Ort für Weinkenner, sondern ein ganz normaler Ort für Jedermann, weil es jedem wichtig sein sollte, was er konsumiert und wie es produziert wurde.

Bei Kaffee ist dieser Trend inzwischen angekommen und es eröffnen immer mehr Kaffeeröstereien. Auch beim Thema Bier passiert einiges. Ich erkenne da eine zunehmende Sehnsucht nach guten, authentischen Produkten und das freut mich.

Etliche Weinhändler haben sich Ihrer Initiative bereits angeschlossen und profitieren von der Bündelung der Interessen. Sollen weitere Partner dazu kommen und so das Netzwerk weiter wachsen?

Die Münchner Weininseln sind für mich mittlerweile mehr als ein Tag der Offenen Keller. Ich möchte die Idee weiterführen und -wie Sie sagen- ein Netzwerk entstehen lassen. Wenn sich die Orte des guten und besonderen Geschmacks zusammenschließen, haben sie eine viel größere Chance gehört zu werden, auch ohne große Budgets in die Hand nehmen zu müssen. Und das fördert die Vielfalt in München. Die konkreten nächsten Schritte sehen so aus, dass ich im kommenden Frühjahr die Weininseln als Event auch in anderen Stadtteilen initiieren werde. Und sobald sich eine kritische Masse an Händlern, Vinotheken und weinbewussten Restaurants zusammengeschlossen hat, sind auch andere Formate denkbar.

Welche Wettbewerbsvorteile können die organisierten Weinhändler durch die Mitgliedschaft bei den Münchner Weininseln derzeit und perspektivisch erreichen?

Denkbar ist zum Beispiel die gemeinsame Teilnahme an einem bekannten Weinevent oder einer Messe, die sich ein einzelner Händler niemals leisten könnte. Dann haben wir unter den Mitgliedern viele Experten, die ihr Wissen an andere weitergeben können (wie organisiere ich Events, wie betreue ich eine Facebook Seite etc.). Ich spreche gerade auch mit potentiellen Schirmherren, die die Initiative unterstützen wollen. Auch die Presse reagiert sehr interessiert, weil sie merkt, dass hier nicht nur irgendeine Weinprobe stattfindet, sondern sich kreative Köpfe zusammengeschlossen haben, die etwas bewegen wollen. Darüber hinaus gibt es noch weitere gute Ideen, die ich aber erst konkretisieren möchte, bevor ich darüber spreche.

Der stationäre Weinfachhandel hat große  Herausforderungen zu meistern. Der Lebensmitteleinzelhandel drängt massiv in den Markt und reine Onlinehändler verschärfenden den Preisdruck.

Es wird viel darüber geschrieben, dass immer mehr Wein im Supermarkt gekauft wird, was natürlich ein großes Problem für die Fachhändler darstellt. Auch die bekannten Online-Plattformen gehen sehr aggressiv vor, was Preise und Marketing betrifft, weil sie große Geldgeber im Rücken haben, denen es nicht in erster Linie um Profitabilität, sondern um  Marktanteile geht.

Auf der anderen Seite eröffnen derzeit wieder viele, wie ich es nenne „Glücksinseln“, das heißt Orte, wo sich jemand verwirklichen will, wo jemand spüren möchte, dass das was er tut sinnvoll ist und eine unmittelbare Auswirkung hat. Und der Mensch sehnt sich auch nach solchen Plätzen. Insofern bin ich immer noch positiv gestimmt.

Trotzdem darf man nicht den Kopf in den Sand stecken und muss sich mit den veränderten Bedingungen beschäftigen.

Eine professionelle und moderne Onlinepräsenz als Ergänzung zum Vorortverkauf scheint immer stärker erforderlich. Wie könnte aus Ihrer Sicht eine  Strategie für den Weinfachhändler vor Ort aussehen? Welche Empfehlungen geben Sie derzeit Ihren Weinfachhändlern um in den schnell wandelnden Märkten gut für die Zukunft gerüstet zu sein?

Auf der einen Seite empfehle ich, offen zu sein für Neues,  sich inspirieren zu lassen, was andere auf die Beine stellen und zu prüfen, was gut angenommen wird. Es ist wichtig zu erkennen, dass die jüngere Generation anders Wein kauft, ein anderes Weinerlebnis sucht, als die ältere Generation. Hierzu würde ich mich mit Sozialen Medien befassen, im Weinbereich insbesondere mit Facebook. Ich würde versuchen durch originelle, innovative Weinevents und Kooperationen meine Namen bekannter zu machen, so dass ich weiterempfohlen werde. Dies ist auch möglich ohne größere Summen auszugeben. Ich würde mein Portfolio schärfen, so dass ich nicht von allem ein bisschen anbiete, sondern einen klar definierten Schwerpunkt habe, der möglichst unverwechselbar ist. Und ich würde einen Webshop einführen, über den ich zusätzlichen Umsatz generieren kann.

Auf der anderen Seite würde ich auf meinen eigenen Stil vertrauen, auf meine eigene Persönlichkeit, denn die ist es, die die Menschen in meinen Laden bringt. Das gilt insbesondere für das Thema Wein, wo es ganz stark um Genuss und Erlebnis geht. Persönlichkeit und Authentizität sind am Ende doch das Wichtigste.

Frau Neumann, vielen Dank.

Stefan Marquard, Schrimherr der Münchner Weininseln Foto (c) stefanmarquard.de / Genehmigung Münchner Weininseln, Nicola Neumann

Die Münchner Weininseln präsentieren sich unter  der Schirmherrschaft des Sternekochs Stefan Marquard am 05., 12. und 19. Oktober zum ersten Mal in Kooperation mit den Werkschauen, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiern.

An drei aufeinanderfolgenden Samstagen öffnen die Weininseln ihre Türen, Weinkeller und Hinterhöfe bieten ein abwechslungsreiches Programm. Dabei werden nicht nur Weinkenner angesprochen, sondern insbesondere auch alle, die die einmalige Atmosphäre, die das Thema Wein bietet, erleben und kennen lernen möchten.

Am 19. Oktober um 14 Uhr wird Schirmherr Stefan Marquard auf dem Münchner Viktualienmarkt das Grußwort sprechen. Das aktuelle Programm steht zum Download auf www.muenchner-weininseln.de und www.werkschauen.de bereit.

Stefan Marquard, Schrimherr der Münchner Weininseln Foto (c) stefanmarquard.de / Genehmigung Münchner Weininseln, Nicola Neumann